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Ausgabe
FOCUS Ausgabe 38-2022
16.09.2022
Freitags ab 18 Uhr
Meldung

KORRIGIERTE VERSION: Bundeswehr-Generalinspekteur Zorn warnt vor zu großer Euphorie über ukrainische Militär-Erfolge und sieht weitere Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen kritisch

KORRIGIERTE VERSION: Bundeswehr-Generalinspekteur Zorn warnt vor zu großer Euphorie über ukrainische Militär-Erfolge und sieht weitere Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen kritisch

Bundeswehr-Inspekteur General Eberhard Zorn kann bislang keine echte Gegenoffensive der Ukrainer erkennen: „Ich bin mit den Begriffen vorsichtig“, sagte er in einem Gespräch mit dem Berliner Nachrichtenmagazin FOCUS, das am Samstag erscheinen wird. Er sehe allenfalls „Gegenstöße, mit denen man Orte oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen, aber nicht Russland auf breiter Front zurückdrängen kann“. Auch der herannahende Winter werde „das Leid nicht mindern – im Gegenteil“. Die ukrainische Armee agiere zwar „klug, bietet selten eine Breitseite und führt souverän und sehr beweglich die Operationen“. Und „noch vor zwei Wochen hätte ich gesagt, dass der gesamte Donbass in sechs Monaten in russischer Hand ist. Heute sage ich: Das werden sie nicht schaffen.“ Aber ob die Ukrainer wirklich die Kraft für eine Gegenoffensive hätten, bezweifelt Zorn, der ranghöchste Soldat der Bundeswehr: „Sie bräuchten eine Überlegenheit von mindestens 3 zu 1.“

Zorn verteidigte zugleich die bisherigen deutschen Waffenlieferungen: „Die Liste ist beachtlich, quantitativ wie qualitativ. Wir haben mit den Niederländern zusammen ein ganzes ukrainisches Bataillon mit der Panzerhaubitze 2000 ausgestattet, hinzu kommt der MLRS Mehrfachraketenwerfer. Beides kam aus eigenen Beständen. Die letzten der 30 Geparden wurden gerade an die Ukrainer übergeben. Darüber hinaus haben wir unzählige Fahrzeuge, Munition und Ausrüstung geliefert. Mit IRIS-T schicken wir ein Raketenabwehrsystem, das wir selbst gerne hätten. Wir werden die Ukraine so lange unterstützen wie nötig.“ Weitere Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen sieht er aber kritisch: „Mein Rat ist wirklich, unsere Zahlen anzuerkennen: Alles, was wir abgeben, brauchen wir zurück.“ Putin verstehe nur eine Sprache, „das ist die der Macht. Für eine wirkungsvolle Abschreckung brauchen wir die entsprechenden Kräfte. Unsere Partner zählen auf uns.“

Im FOCUS-Interview bekräftigte Zorn seine Befürchtung, dass Russland eine zweite Front aufmachen könnte und nannte mögliche Angriffsorte: „Kaliningrad, die Ostsee, die finnische Grenze, Georgien, Moldau… es gibt viele Möglichkeiten. Die Fähigkeiten hätte Putin. Auch wenn etwa 60 Prozent seiner Landstreitkräfte im Ukraine-Krieg gebunden sind, verfügen die Landstreitkräfte sowie vor allem die russische Marine und Luftwaffe noch über ungebundene Kapazitäten. Würde Putin eine Generalmobilmachung anordnen, hätte er auch keine Personalprobleme.“ Am Donnerstag und Freitag findet in Berlin eine große Bundeswehrtagung statt, bei der neben Zorn auch Verteidigungsministerin Lambrecht und Kanzler Scholz Reden halten werden.

ANMERKUNG: In einer früheren Version dieser Meldung konnte nach Meinung der Bundeswehr der Eindruck entstehen, General Zorn warne vor Waffenlieferungen an die Ukraine generell. Er sieht aber nur Lieferungen aus Bundeswehrbeständen kritisch.