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Ausgabe
FOCUS Ausgabe 48/2022
25.11.2022
Freitags ab 18 Uhr
Meldung

Bundeskanzler Olaf Scholz zieht Bilanz im Nachrichtenmagazin FOCUS - „Krieg und Imperialismus sind zurück“

„Krieg und Imperialismus sind zurück“ – Bundeskanzler Olaf Scholz zieht Bilanz im Nachrichtenmagazin FOCUS

Olaf Scholz zieht im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin FOCUS die Bilanz seines ersten Jahres im Amt als Bundeskanzler. Es sei ein anstrengendes Jahr gewesen, „in dem es galt, mit Entschiedenheit und Besonnenheit zu handeln“. Er habe nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von einer Zeitenwende gesprochen, „weil mir der dramatische Bruch mit allem, was wir in den Jahrzehnten zuvor gekannt haben, offensichtlich schien“. Für ihn persönlich seien die vergangenen zwölf Monate intensiv gewesen. „Jede falsche oder übereilte Entscheidung hätte zu schrecklichen Konsequenzen für unser Land führen können“, so Scholz gegenüber FOCUS.

Scholz zur außenpolitischen Rolle Deutschlands: Russland versuche, „mit Gewalt sein Territorium zu vergrößern. Krieg und Imperialismus sind zurück“, so Scholz. Er wolle keine Prognose abgeben, wie lang der Krieg dauern werde. „Die Schrecken und die Grausamkeit des Krieges verbieten es, darüber zu spekulieren“, sagt er. Irgendwann müsse der Zeitpunkt kommen, „an dem auch Russland nach einem Weg aus dieser fatalen Lage suche. „Zentral ist der Rückzug der Truppen.“ Scholz verspricht der Ukraine weitere Hilfe „und zwar solange, wie es nötig sein wird“. Auf die Frage, ob der russische Präsident ein Kriegsverbrecher sei, antwortet Scholz: „Der Krieg in der Ukraine verletzt alle völkerrechtlichen Regeln und Wladimir Putin ist für diesen Krieg verantwortlich.“ Die Hoffnung Russlands, dass eine neue Fluchtbewegung aus der Ukraine die Unterstützung der europäischen Länder gefährde, erweise sich als Irrtum. „Wir wissen aber nicht, welche Schlüsse Russland aus seinem Scheitern zieht“, so der Kanzler weiter. Auf die Frage, ob Deutschland eine Führungsmacht sei, antwortet er: „Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und das größte Land in der Europäischen Union. Deshalb haben wir eine Aufgabe wahrzunehmen – und dieser Aufgabe stelle ich mich als Kanzler unseres Landes.“ Zum Verhältnis Deutschlands zu China erklärt er: „Wie wichtig der chinesische Markt ist, bedarf keiner Erklärung. Gleichzeitig gilt das Ziel, von niemandem abhängig zu sein.“ Eine alte Volksweisheit laute: Nicht alle Eier in einen Korb legen. Ihn wundere deshalb, wie abhängig sich manche Unternehmen von einzelnen Märkten gemacht und die Risiken dabei völlig ignoriert hätten.

Scholz lehnt Fracking ab Scholz lehnt die Fracking-Methode zur Förderung heimischen Erdgases ab. „Fracking ergibt bei uns wenig Sinn und ist im Übrigen mehrfach in Deutschland diskutiert und verworfen worden“, so der Kanzler. Auch Investoren zeigten kaum Interesse an dem Geschäft. Auf die Frage, ob Deutschland also lieber abhängig von Anderen bleiben solle, als Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, antwortete Scholz: „Nein, aber verantwortlich handeln bedeutet, keinen Schimären nachzujagen.“ Bis das Gas aus den tiefen Schichten herausgepresst werden würde, sei Deutschland mit dem Ausbau regenerativer Energien so weit, „dass Aufwand, Risiko und Ertrag in einem viel zu schlechten Verhältnis stehen“. Deutschland steige bis 2045 aus der Nutzung fossiler Ressourcen aus. „Wir sollten unsere Bemühungen darauf konzentrieren, Wasserstoff zu importieren und auch hierzulande durch Elektrolyse herzustellen.“

Olaf Scholz über die Rolle Angel Merkels: Trotz aller Kritik an der Russlandpolitik der früheren Bundeskanzlerin bewertet Scholz ihre historische Rolle positiv: „Angela Merkel kann ganz zuversichtlich auf das Urteil der Geschichtsbücher setzen.“ Er tausche sich weiterhin mit Angela Merkel aus, eine Vermittlerrolle der Altkanzlerin im Ukrainekrieg lehnt er jedoch ab: „Machen wir uns nichts vor: Es gibt keine Kommunikationsprobleme mit dem russischen Machthaber. Putin verfolgt rücksichtslos Ziele, die wir nicht akzeptieren können.“

Scholz über die Deutschlands Schulden nach den Milliardenpaketen Der Bundeskanzler zeigt sich optimistisch, dass das Land die Krise meistern werde. Deutschland habe eine sehr leistungsfähige Volkswirtschaft. „Wir besitzen die Kraft und das Geschick zu tun, was nötig ist“, sagt Scholz. Unter den G7-Staaten habe die Bundesrepublik die geringste Verschuldung. „Auch nach dieser Krise werden wir weniger verschuldet sein als die anderen G7-Länder vor der Krise.“ Die Schuldenbremse halte er „grundsätzlich für richtig“. Allerdings böten die Regeln des Grundgesetzes „gleichzeitig die nötige Flexibilität, in einer Krisensituation angemessen zu agieren“.

Scholz über die radikalen Klimaaktivisten Bundeskanzler Scholz kritisiert die Blockaden junger Klimaaktivisten. „Ich will klar sagen, dass ich diese Aktionen für verfehlt halte“, sagt Scholz. Auf die Frage, ob er sich selbst als junger Mensch daran beteiligt hätte, antwortet der Kanzler, dies sei eine Frage, die man einem Anfang 60-Jährigen nicht stellen solle. „Weil es unangemessen ist, aus meinem Blickwinkel über die Perspektive eines 17-Jährigen zu urteilen.“